Linke oder AfD?
Wer wo stärker ist
Bei der Landtagswahl in Thüringen sind die Parteien der Mitte zwischen Linken und AfD aufgerieben worden. So war die Wahl auch ein Duell zwischen links und rechts. Die AfD hat ihren Höhenflug in Ostdeutschland fortgesetzt. Im Vergleich zur Landtagswahl 2014 konnte die Partei mit Rechtsaußen-Kandidat Björn Höcke ihr Ergebnis mehr als verdoppeln. Mit 23,4 Prozent ist sie zweitstärkste Kraft geworden - wie zuvor bereits in Sachsen und Brandenburg. In 237 der 664 Gemeinden wurden die Rechtspopulisten Wahlsieger nach Zweitstimmen – mit einem Anteil von bis zu 62,7 Prozent in der kleinen Gemeinde Paska (108 Einwohner) im Saale-Orla-Kreis.
Auf der anderen Seite wirkte der Ramelow-Effekt mit einem Rekord-Ergebnis für die Linke. Mit dem amtierenden Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow, als Spitzenkandidaten ist die Linke erstmals stärkste Partei bei einer Landtagswahl geworden. Bei der Europawahl vor fünf Monaten waren es in Thüringen gerade einmal 13,8 Prozent, nun sind es 31 Prozent. Ähnlich wie in Brandenburg und Sachsen wurde die führende Regierungspartei offensichtlich auch als Gegenpol zum Erstarken der AfD wahrgenommen und bekam einen Amtsinhaberbonus. In 243 Städten und Gemeinden ist die Linke nun die Nummer eins - allen voran im Wintersportort Oberhof, wo fast jeder Zweite Ramelows Linke wählte (44,3 Prozent).
Die Karte zeigt, wo die Linke stärker als die AfD ist (304 Städte und Gemeinden) - und in welchen sie weniger Stimmen als die Rechtspopulisten bekommen hat (350). In zehn Gemeinden sind beide exakt gleichauf (grau auf der Karte). AfD-Landeschef Höcke verpasste das Direktmandat in seinem Wahlkreis Eichsfeld I. In seinem Wohnort Bornhagen wurde die AfD aber stärkste Kraft (36,0 Prozent). Ramelow wurde in seinem Wahlkreis Erfurt III mit deutlichem Vorsprung direkt gewählt (42,1 Prozent der Erststimmen). Wie alle anderen Parteien abgeschnitten haben, verdeutlicht dagegen unsere interaktive Wahlkarte mit sämtlichen Ergebnissen der Gemeinden. Dort ist die Gewinnerkarte auch vielerorts schwarz: Die CDU hat noch in 171 Gemeinden die meisten Stimmen - andere Gewinnerfarben gibt es allerdings nicht.
Keine Mehrheit für bislang denkbare Koalitionen
Thüringen wird schwer regierbar. Mehrheiten für bislang denkbare Regierungsbündnisse sind nicht erkennbar, wie die Grafik verdeutlicht. Die Balken zeigen den Grad der politischen Übereinstimmung der Parteien bei den 38 Fragen des Wahl-O-Mat für diese Landtagswahl an. Aufgeführt sind alle Koalitionen, die rein rechnerisch möglich sind, um mit maximal drei Partnern eine Regierungsmehrheit von mindestens 46 Sitzen zu erreichen. Und die bisherige rot-rot-grüne Koalition verfehlt diese um vier Sitze. Sie bräuchte für eine Mehrheit zumindest die Unterstützung der FDP, die es nach einer stundenlangen Zitterpartie knapp in den Landtag geschafft hat.
Die anderen dargestellten Bündnisse sind zwar arithmetisch möglich - gelten aber als politisch schwierig bis undenkbar: So will niemand mit der AfD regieren. CDU, FDP und AfD haben bei den Wahl-O-Mat-Fragen zwar mit 61 Prozent die größte Übereinstimmung - doch sie trennt Grundsätzliches. So hat CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring seinen AfD-Kontrahenten Björn Höcke nur wenige Tage vor der Wahl als „Nazi“ bezeichnet, mit dem er eine Zusammenarbeit strikt ablehne. Auch die FDP erteilte einer Koalition mit der AfD eine klare Absage.
Und ein Duo aus Linke und CDU ist nur sehr schwer vorstellbar. Beide hatten im Wahlkampf gegenseitig ihre Ablehnung bekräftigt. Und bei den Wahl-O-Mat-Fragen stimmen sie nur wenig überein (21 Prozent). Doch möglicherweise müssen die Parteien ganz neue Wege beschreiten. Alle Demokraten müssten in der Lage sein, miteinander zu sprechen, sagte Wahlsieger Ramelow. Und Mohring sagte nun, das Fehlen von Mehrheiten in der Mitte verlange nach neuen Antworten. Falls sich die Bildung einer neuen Regierung noch eine Weile hinzieht, ist immerhin der Haushalt für 2020 schon verabschiedet.
AfD gewinnt in meisten Gemeinden hinzu - CDU verliert am stärksten
Die FDP hat es mit 5,0005 Prozent ins Thüringer Parlament geschaft. Sie übersprang laut vorläufigem Ergebnis die Fünf-Prozent-Hürde gerade einmal um fünf Stimmen. Trotz dieses Zitterergebnisses sind die Liberalen einer der großen Gewinner des Wahlabends: Sie sind wieder - wenn es auch im endgültigen Ergebnis dabei bleibt - in einem ostdeutschen Landtag vertreten. Sie haben ihr landesweites Wahlergebnis im Vergleich zu 2014 exakt verdoppelt. Und die FDP verbessert sich dabei in 93 Prozent der Gemeinden (616). In mehr Gemeinden kann nur noch die AfD zulegen, mit 656 (99 Prozent) fast überall. In Paska klettert sie am höchsten - um 37,2 auf 62,7 Prozent.
Während die Linke in Sachsen und Brandenburg zu den großen Verlierern der jüngsten Landtagswahlen zählte, kann sie sich in Thüringen auf ein Rekordhoch verbessern. In 466 Gemeinden (70 Prozent) waren die Wähler offensichtlich sehr zufrieden mit der Arbeit des Ministerpräsidenten. Gegen den allgemeinen Trend stemmen sich die Thüringer auch bei den Grünen, aber unter anderen Vorzeichen: Vom Höhenflug im Bund kommt im Freistaaat nichts an. Im Vergleich zur letzten Landtagswahl verliert die Öko-Partei insgesamt 0,5 Prozentpunkte und erleidet in zwei Dritteln der Gemeinden (441) Verluste.
Großer Verlierer sind erneut die Volksparteien: Die CDU verliert in 653 Gemeinden (98 Prozent) an Zustimmung und ist lediglich in elf Orten im Plus. Die Christdemokraten spielen aber immerhin in jedem vierten Ort noch ganz vorne mit dem besten Ergebnis mit. Dagegen holt die SPD nirgendwo den Wahlsieg. Die Sozialdemokraten sind unter die Zehn-Prozent-Marke gerutscht - durch Verluste in 592 Gemeinden.