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Neonazis

Rechtsausleger im Ring

Immer mehr Neonazis drängen in die Kampfsportszene. Die Rechtsextremisten vernetzen sich, machen Geschäfte und propagieren einen „gesunden Volkskörper“. Die Sicherheitsbehörden sind alarmiert: Denn Gewaltbereite wappnen sich für den Straßenkampf.

Von Christian Unger und Theresa Martus
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In einer ehemaligen Kaufhalle im Südosten von Erfurt trainieren die Mitglieder der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ Christian Unger

Die Tritte sind bis draußen zu hören. Bis auf den Parkplatz vor der alten Kaufhalle im Erfurter Südosten zwischen Plattenbauten und Straßenbahngleisen. Eine Treppe führt zu einer Stahltür, an der Wand prangen meterhoch die Worte: national, revolutionär, sozialistisch – daneben ein Kranz aus Eichenlaubblättern, es ist das Symbol der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“.

Der Eingang ist mit einer Videokamera überwacht. In einem großen Hinterzimmer liegen Gewichte auf dem Boden, Hanteln hängen an einem Fitnessgerät, neben einer Stereoanlage liegt eine CD der Rechtsrock-Band „Kraftschlag“. Es riecht nach Schweiß an diesem Nachmittag im Februar.

Jemand hat mit grüner Farbe das Bild eines Wolfs an die Wand gemalt, das Tier fletscht die Zähne. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges war der Werwolf Symbol einer Einheit, die im Auftrag der SS Anschläge und Attentate hinter den feindlichen Linien verüben sollte.

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Gewichte stemmen gegen eine "feindliche Welt" Christian Unger

Training der „Arbeitsgemeinschaft Körper und Geist“ des „III. Wegs“. Knapp ein Dutzend Männer treten gegen Boxsäcke, stemmen Gewichte oder schlagen mit der Faust gegen ein Kissen aus Schaumstoff. Manche pusten und schnauben, andere besprechen mit einem Zettel in der Hand ihre Übungen. Sie alle tragen beigefarbene T-Shirts mit dem Logo der Partei.

Einer von ihnen ist ein junger Mann, 31 Jahre alt, der sich für das Gespräch nur Andy nennen will. Gerade bereitet er sich auf einen Kampf in Griechenland vor. Und am Wochenende wolle er an einem „Gedenkmarsch“ für getötete Wehrmachtssoldaten in Ungarn teilnehmen. Sein politisches Ziel sei ein „deutscher Sozialismus“. Auf die Frage, wer dazugehöre, antwortet er: „Die Volksgemeinschaft entscheidet.“

Andy, dessen richtiger Name und Foto leicht auf der Webseite des „III. Wegs“ zu finden sind, war nach eigenen Angaben Fallschirmjäger bei der Bundeswehr und schon früher in der rechtsextremen NPD und in Neonazi-Kameradschaften in Süddeutschland, heute arbeite er als Angestellter. Wegen gefährlicher Körperverletzung wurde er 2012 zu gut einem Jahr Haft verurteilt. Laut des Urteils, das unserer Redaktion vorliegt, verletzte Andy gemeinsam mit Mittätern einen linken Aktivisten nachts in Fürth.

Jetzt steht er im Trainingsraum in Erfurt, streift sich einen grünen Kapuzenpullover mit dem Parteisymbol über den Kopf. Der Mann trägt ruhig seine Ideologie vor, gibt sich harmlos, sagt zu der Prügelei mit dem Linken: „Wenn ich damals schon Kampfsport gemacht hätte, wäre das nicht passiert.“

Nummerngirls, Videoübertragung und limitierte Fantickets

Vor wenigen Monaten stieg Andy auch im sächsischen Ostritz in den Ring. Im Oktober veranstalteten Neonazis den „Kampf der Nibelungen“. Vorbestrafte Hooligans und den Sicherheitsbehörden bekannte Rechte reisten an. Das Netzwerk der Kampfsportgruppen reicht von Nordrhein-Westfalen bis nach Thüringen. Aus Tschechien kamen viele Teilnehmer, auch aus Frankreich, Russland und der Ukraine. Experten und Verfassungsschutz schätzen, dass zwischen 700 und 850 Zuschauer und Kämpfer vor Ort waren.

Noch vor wenigen Jahren liefen Szene-Events konspirativ ab, Eingeweihte erhielten Telefonnummern und einen geheimen Treffpunkt. Von dort schleusten die Organisatoren Kämpfer und Zuschauer zum Gelände. Doch mittlerweile gehen Rechte mit ihrem Kampfsport in die Offensive, promoten die Events über Facebook, drehen Werbevideos und dokumentieren die Wettkämpfe auf aufwendig produzierten Internetseiten. Nummerngirls laufen durch den Ring, Bildschirme übertragen die Kämpfe. Limitierte Fantickets erlauben backstage Drinks mit Stars der Szene wie dem Sänger der Rechtsrock-Band „Die Lunikoff Verschwörung“.

Für die Neonazis bringen die Wettbewerbe Aufmerksamkeit und Zulauf, sie sind wichtig um den Zusammenhalt der Szene zu stärken und für die Rekrutierung neuer Mitglieder. Zudem spült die hohe Nachfrage Geld in die Kasse, das zumindest in Teilen zurück in den Aufbau rechtsextremer Organisationen fließt. Und: Bei den Sicherheitsbehörden in Ostdeutschland heißt es bereits, dass rechtsextreme Kampfsportler in einzelnen Orten zunehmend das Türsteher-Gewerbe kontrollieren – und sogar Rockergruppen wie die Hells Angels verdrängen. „Wer die Tür kontrolliert, kontrolliert auch, was drinnen verkauft wird“, sagt ein Beamter. Der Hooligan-Forscher Robert Claus fasst die neue Macht des Kampfsports in der Neonazi-Szene so zusammen: „Gewalt wird professionalisiert.“

Das spüren auch die Sicherheitsbehörden. Die Organisatoren beachten Vorschriften für Rettungswege, Grenzen für Lautstärken und melden die Veranstaltung ganz offiziell bei den Behörden an. „Das macht Verbote für den Staat deutlich schwieriger“, sagt Frank Nürnberger, Leiter des Verfassungsschutzes in Brandenburg. Neonazis legalisieren ihren Kampf. Mit einem neuen Selbstbewusstsein werden aus versteckten Szene-Events größere Veranstaltungen mit Festival-Charakter.

Kampf gegen die Demokratie

Reporter unserer Redaktion haben mit Sicherheitsbehörden gesprochen, mit Sozialarbeitern und Extremismus-Forschern. Ein Festivalgelände, auf dem Neonazis später Kämpfe austrugen, war für Journalisten nur für eine kurze Besichtigung zugänglich. Dann mussten sie wieder raus. Zudem kontaktierten wir Kampfsportgruppen. Rückmeldung gab es kaum, nur Vertreter vom „III. Weg“ waren bereit, Einblicke zu geben.

Experten sagen, dass das Jahr 2018 für die Szene ein Durchbruch war. Dreimal traten Rechte allein zum „Kampf der Nibelungen“ an, zweimal davon beim „Schild und Schwert Festival“ im Juni und November im sächsischen Ostritz, und ein weiteres Mal im Oktober. Im Sommer organisierten Neonazis aus Chemnitz das „Tiwaz“-Festival mit 15 Kämpfen. Die Partei „Der III. Weg“ baute einen Ring beim eigens organisierten „Jugend im Sturm“-Fest im thüringischen Kirchheim auf, Eintritt 25 Euro. Es kamen gut 200 Besucher. Auch Parteimitglied Andy trat an.

Harmlose Sportwettkämpfe? Wer beim „Kampf der Nibelungen“ (KdN) dabei sein soll, daraus machen die Organisatoren keinen Hehl. Allzu oft werde bei den meisten „Fight Nights“ den Sportlern das Bekenntnis zur freien demokratischen Grundordnung „abverlangt“, heißt es auf der Webseite der Veranstaltung. Der KdN dagegen wolle „nicht Teil eines faulenden politischen Systems“ sein. Kampf ist hier nicht nur Sport – sondern auch Säule einer demokratiefeindlichen Bewegung.

Kampfsportler, Rechtsrocker und Hooligans

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Das „Schild und Schwert Festival“ in Ostritz (Sachsen) nutzt die Szene zum Austausch Lukas Kabon/pa

Auf dem „Schild und Schwert Festival“ propagierte die NPD „Kindergärten statt Asylheime“. Auf dem Gelände gab es eine „Straße der Bewegung“, auf der Rechtextremisten mit Flyern für Aufmärsche wie dem „Tag der deutschen Zukunft“ warben. Die Partei „Die Rechte“ oder das Neonazi-Magazin „N.S. heute“ richteten Infostände ein. Auch Rockbands der Szene traten auf – politische Ideologie strahlt schon aus den Namen: „Frontalkraft“ oder „Radikahl“ und „Frontfeuer“.

Beim „Jugend im Sturm“ in Thüringen hielt Wolfram Nahrath eine Rede auf der Bühne neben dem Kampfring. Nahrath war Anwalt des NSU-Mordgehilfen Ralf Wohlleben und lange Vorsitzender der heute verbotenen „Wiking Jugend“. Beim „Tiwaz“-Festival organisierte ein Chemnitzer Rechtsextremist einen Vortrag, bei dem ein „Zeitzeuge“ über den Boxer Max Schmeling während des Nationalsozialismus referierte. Der ältere Mann war ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS.

Die Verfassungsschutzämter sind beunruhigt. „Nach dem Verbot von Vereinen und Kameradschaften in Deutschland sind diese Veranstaltungen die neuen Netzwerke. Kaum einer gründet heute mehr Kameradschaften“, sagt Henry Krentz, stellvertretender Referatsleiter „Auswertung Rechtsextremismus“ im Landesverfassungsschutz Sachsen. Er beobachtet die Szene seit Jahren. Neben Rechtsrock und Hooliganismus sei der Sport das dritte Standbein einer „subkulturellen, erlebnisorientierten Rechten“, sagt auch Wissenschaftler Claus. Das diene nicht nur der Finanzierung und Vernetzung der Szene, sondern auch der Rekrutierung neuer Mitglieder. „Da wird ein niedrigschwelliges Angebot gemacht, aus Gewalt, Männlichkeit, Zugehörigkeit und politischem Hass“, sagt Claus.

»Erlebniswelt Rechtsextremismus« – Unternehmer verdienen am Kämpfen

Bekannte Neonazis haben sich an die Spitze dieser Bewegung gesetzt. Unter ihnen Thorsten Heise, Vize-Chef der NPD und mehrfach vorbestraft. Darunter auch Denis K., der sich in der Szene Denis Nikitin nennt, russischer Staatsbürger ist, aber in Köln gemeldet ist. Nikitin ist Gründer des europaweit einflussreichen Labels „White Rex“, das auch den „Kampf der Nibelungen“ sponsert. Wie ein Schlager-Star der Rechten reist er von Event zu Event, in Deutschland, nach England und Italien, in die Schweiz, und tritt selbst in den Ring. 2014 fiel er der Polizei auf, weil er sich an der Seite von Dortmunder Hooligans in Köln geprügelt haben soll. Auch bei der Fußball-EM in Frankreich soll er an Schlägereien beteiligt gewesen sein. Auf eine Anfrage unserer Redaktion reagierte sein „White Rex“-Label nicht.

Manche in den Sicherheitsbehörden nennen Menschen wie Nikitin „rechte Unternehmer“, erfolgreiche Geschäftsleute, die verstanden haben, wie mit diesen Events Geld zu verdienen ist. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz spricht von einer „Erlebniswelt Rechtsextremismus“, die Spaß und Gemeinschaft verbinde. Und die sich immer radikaler gibt – mit einem Faible für Mixed Martial Arts (MMA), einem Kampfsport, in dem wenig verboten und viel erlaubt ist. Passend dazu liefern Kleidermarken den entsprechenden Neonazi-Chic, einschließlich martialischer Sprüche und Kennzeichen der Szene. Wenn der „Kampf der Nibelungen“ es schaffe, regelmäßig vierstellige Zuschauerzahlen zu erreichen, „dann ist es möglich, dass eine extrem rechte Kampfsportorganisation unter die Top Ten der deutschen MMA-Veranstalter vorstößt“, sagt Extremismus-Forscher Claus. „Das kann einer demokratischen Gesellschaft in keiner Hinsicht gefallen.“

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Im Nebenraum der „Parkgaststätte“ in Lindenau (Brandenburg) verkauft das Label „Greifvogel Wear“ Kampfsportbekleidung Christian Unger

Lindenau, ein Ort im Süden Brandenburgs, Freitagabend im Januar. Im Nebenraum der „Parkgaststätte“ hängen Shirts und Pullover an Ständern, im Regal liegen Mützen und Käppis. Hinter dem Tresen steht ein mitteljunger Mann mit Nike-Pullover und Ohrring. Er hat Besuch von einer Handvoll Bekannten, mit denen er gerade ein Bier trinkt. Das Label „Greifvogel Wear“ verkauft hier Kampfsportbekleidung. Der Besitzer: Sebastian R., einst eine Führungsfigur im mittlerweile verbotenen „Blood&Honour“-Netzwerk und heute Besitzer des Rechtsrock-Musiklabels „One People One Struggle Records“.

R. sei im Urlaub, sagt der Verkäufer hinter dem Tresen. Man könne sich aber im Laden umschauen. Ein Leitspruch von „Greifvogel“ ist: „Stärke gegen die moderne Welt“. Auf den T-Shirts sind Slogans gedruckt wie „Blut und Eisen“ oder „Greifvogel Deathsquad“. In den Regalen verkauft R. auch Bücher über die 1. SS-Panzer-Division „Leibstandarte Adolf Hitler“ und die Erinnerungen eines Soldaten der Waffen-SS, die in einem rechten Verlag erschienen sind.

Sebastian R. bietet seine Kleidung auf Szene-Events wie dem „Kampf der Nibelungen“ an. Auch eigene Kämpfer schickt die Marke in den Ring, als „Greifvogel Eskadron“. Das Geld, das R. verdient, investiert er auch in der Region. In Lindenau gehört ihm die „Pizza 18“. 18 ist die Hausnummer der Pizzeria, sie steht in der Szene aber auch für die Buchstaben A und H, wie Adolf Hitler. Im Nachbarort kaufte R. das Hotel „Deutsches Haus“ – trotz Warnungen des Verfassungsschutzes vor Ort etabliert sich der extreme Rechte. Und verkauft neben Propaganda im Laden nun auch Bier auf dem jährlichen Stadtfest.

Der Verkäufer mit dem Nike-Pullover will zur politischen Haltung seines Chefs nichts sagen. Auf eine Anfrage unserer Redaktion reagiert R. selbst nicht. Der Verkäufer sagt, alles sei „im BRD-Rahmen legal“, was hier im Shop verkauft werde. Neben den Büchern und CDs liegt auch ein Anhänger – „Burn Israel Burn“ steht darauf.

Vorbereitung für den Straßenkampf

Schon früher stiegen Neonazis für Boxkämpfe in den Ring. Weil eigene Events fehlten, mischten sie sich unter prominente Wettkämpfe großer Labels und besuchten das örtliche Fitnessstudio. Heute baut die Szene eigene Räume auf. In Lindenau hat R. sein „Greifvogel“-Geschäft, im brandenburgischen Lübben trifft sich die „Northside Crew“ in einer alten Halle hinter einem griechischen Restaurant. In Leipzig trainieren rechte Kämpfer vom „Imperium Fight Team“ in einem Gewerbegebiet im Osten der Stadt – im Gebäude einer früheren KZ-Außenstelle. Die Partei „Der III. Weg“ mietet in Erfurt turnhallengroße Räume an und baut das Büro in Plauen mit einem eigenen Sportraum aus.

Eigene Events, eigene Trainingsstätten wachsen – doch verstecken sich rechte Kampfsportler nicht. Im Gegenteil. Die Szene bereite sich mit Training und Kämpfen „auf einen sogenannten Tag X vor, an dem die Neonazis wehrhaft sein wollen, damit sie aus ihrer Sicht zuschlagen können, wenn das verhasste ‚System‘ am Ende ist“, sagt Nürnberger vom Verfassungsschutz in Brandenburg. Auch Analyst Krentz vom sächsischen Nachrichtendienst sieht eine „zunehmende Militanzbereitschaft“ unter Rechtsextremisten. „Wir beobachten einen Trend hin zu einer konkreten Vorbereitung auf einen Straßenkampf. Es geht einigen Akteuren auch darum, für den Kampf mit politischen Gegnern zu trainieren.“

»Imperium Fight Team« war in Chemnitz und Leipzig dabei

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Demonstranten bei den Aufmärschen in Chemnitz (Sachsen) im August 2018 Sebastian Willnow/PA

So wie Ende August 2018 in Chemnitz. Zwei Flüchtlinge sollen einen Deutsch-Kubaner in einem Streit mit einem Messer niedergestochen haben. Die Nachricht macht schnell die Runde – auch in der rechten Szene. Hooligans und rechte Gruppen mobilisieren für Protest in der sächsischen Stadt. Tausende demonstrieren in den Tagen danach, unter ihnen nicht nur Anwohner und AfD-Anhänger, sondern etliche polizeibekannte Rechte. Es kommt zu Ausschreitungen und Übergriffen etwa gegen ein jüdisches Restaurant. Es ist ein Tag, an dem viele Neonazis ihren Kampf nicht mehr nur auf den Ring begrenzen.

Unter den Organisatoren der Demonstrationen war Robert Andres von „Pro Chemnitz“, der wenige Wochen zuvor noch beim Kampfevent „Tiwaz“ mitgeholfen haben soll. Auch mehrere Kampfsportler der Gruppe „Imperium Fight Team“ um Benjamin B. mischten sich unter die Protestierenden. Nach Informationen unserer Redaktion war auch Daniel G. dabei, der die extrem rechte Marke „Label 23“ vertreibt. Und: Rocco W., ein Neonazi aus Brandenburg, der für das rechte Label „Black Legion“ arbeitet. Ein Slogan der Marke: „Wir schreiben das Jahr 2016 und die Zeiten stehen 80 Jahre nach dem letzten großen Krieg abermals auf Sturm!“

In einer Recherche listet die linke Initiative „Runter von der Matte“ auf ihrer Webseite weitere rechte Kampfsportler etwa aus Braunschweig, die in Chemnitz auf die Straße zogen. Zudem hat die Gruppe auf Fotos mehrere Demonstranten ausfindig gemacht, die während der Aufmärsche in Chemnitz bekannte rechte Kampfsport-Marken tragen.

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Ein Dönerimbiss im Leipziger Viertel Connewitz. Mehr als 200 vermummte Rechtsextreme demolierten im Januar 2016 Geschäfte und Autos in der linken Hochburg Jan Woitas/dpa

Leipzig, 11. Januar 2016, am Abend feiert der Pegida-Ableger „Legida“ einjähriges Bestehen nahe des Leipziger Hauptbahnhofs. Zeitgleich ziehen mehr als 200 vermummte Rechtsextreme und Hooligans durch die linke Hochburg Connewitz im Süden der Stadt, bewaffnet mit Äxten, Eisenstangen und Holzlatten. Innerhalb einer Stunde beschädigen sie 23 Geschäfte und zahlreiche Autos, in einer Buchhandlung landet ein Böller, in einem Dönerimbiss eine Kugelbombe. Auch hier sind die Kämpfer des „Imperium Fight Teams“ dabei: gleich vier Mitglieder der Gruppe. Mindestens drei weitere Beteiligte bei den Ausschreitungen haben in der Vergangenheit an Veranstaltungen des Kampfsportstudios teilgenommen. Zu einem Gespräch mit Journalisten war die Gruppe um Benjamin B. auf Nachfrage nicht bereit.

Am 3. Januar dieses Jahres greift ein maskierter Mann im thüringischen Saalfeld einen 30-Jährigen an, tritt ihn und schlägt nach Angaben der Polizei auch dann noch zu, als das Opfer am Boden liegt. Dann steigt er in ein Auto, das ein weiterer Mann steuert, die beiden fliehen. Der mutmaßliche Täter: Alexander R.* Bei der Durchsuchung des Wagens findet die Polizei später auch verbotene Gegenstände und ermittelt nun wegen des Verdachts auf gefährliche Körperverletzung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz. Auch bei dem Angriff auf Connewitz war R. dabei. Vor diesem Hintergrund sei „unverständlich“, dass R. im örtlichen Sportverein unbehelligt Kampfsport trainieren könne, erklärt das „Antifaschistische Jugendbündnis Saalfeld“. Der Vereinsvorstand, wo R. nach Angabe des Vorsitzenden Lutz Grau seit rund einem Jahr Kickboxen trainiert, habe R. befragt, „sehr schnell nachdem der Vorfall öffentlich wurde“, sagt Grau. R. und ein weiterer Mann seien für zwei Wochen vom Training freigestellt worden, bis sie ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegten, das keine Eintragungen hatte. Seitdem könnten sie wieder mittrainieren. „Wir fühlen uns da auch von den Behörden allein gelassen“, sagt Grau.

Vorbereitung auf den »Rassenkrieg«

Die Rechten bleiben nicht im Ring. Sie treten auf die Straße, stehen Polizei und Gegendemonstranten gegenüber. Manche schlagen zu. Als ab 2015 die Zahl der Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, stark anstieg, wuchs auch die Gewalt. Gegen Asylsuchende, gegen ihre Unterkünfte, gegen Politiker, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Rechtsextremisten warnen vor einer „Asylflut“ und einem „Volkstod der Deutschen“ durch die Zuwanderung. „Die Gefahr durch gezieltes Kampfsport-Training unter Rechtsextremisten dürfen wir in Deutschland nicht unterschätzen“, sagt Nürnberger vom Verfassungsschutz Brandenburg.

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Einige Kämpfer des „III. Weges“ lehnen Alkohol und Drogen ab. Es geht ihnen um einen „gesunden Volkskörper“ Theresa Martus

Für die linke Recherchegruppe „Runter von der Matte“ ist klar, dass der Kampfsport von Neonazis missbraucht werde, „um sich auf einen von der Szene herbeigesehnten ‚Rassenkrieg‘ vorzubereiten“. So bettet etwa die Gruppe „Wardon 21“ ihr Training in völkische Ideologie und Körperkult, die an Ästhetik und Parolen der Nationalsozialisten erinnern. Beim „Kampf der Nibelungen“ baute die Gruppe eine Feldküche auf. Sie verkauften auch vegane Gerichte. Im Internet veröffentlichte die Gruppe Fotos der Preisliste. Smoothies: 40 Liegestütze. Kuchen: 35 Liegestütze. Darunter steht der Slogan: „Wir sind entschlossen, einen neuen Menschenschlag heranzuziehen.“

Im Internet propagieren sie, dass „Sport Dienst am Volk“ sei. Über ihre sozialen Kanäle im Internet postet „Wardon 21“ historische Bilder von Sportgruppen während der NS-Zeit. Mit „Nüchternheit“ und „Körperzucht“ steht die Gruppe für eine Bewegung innerhalb der rechtsextremen Szene, die ihre Ursprünge eigentlich im Punk hat: Straight Edge. Sie lehnen Drogen, Alkohol und Nikotin ab – obwohl all das unter Neonazis bis heute stark verbreitet ist. An die Stelle der Drogen tritt für sie der Kampfsport. Und die Ideologie.

Sport statt Alkohol für einen »gesunden Volkskörper«

Auch Andy, der Kämpfer der Partei „III. Weg“, sagt, er lehne es ab, viel Alkohol zu trinken. Auch er sieht einen „gesunden Volkskörper“ als Teil seiner „Weltanschauung“. Die Partei sieht sich als „Elite“, will sich nach außen abgrenzen von Veranstaltungen wie dem „Kampf der Nibelungen“, so wird es im Gespräch mit dem Vize-Vorsitzenden Matthias Fischer deutlich. Zugleich organisiert die Partei neben Kampfsport auch Marathon-Training und Fußballspiele, Kleiderspenden und Nachhilfeunterricht. „Für Deutsche“, wie sie sagen. Hilfe nach strikt völkischen Kriterien. In „Nationalen Streifen“ spielen Neonazis Ersatz-Polizei als Teil einer aggressiven Anti-Asyl-Propaganda. Bisher ist der „III. Weg“ in Wahlergebnissen kaum wahrnehmbar, hat bundesweit rund 500 Mitglieder. Die Spitzen sind seit Jahren aktiv in der rechtsextremen Szene, viele haben typische Delikte wie Volksverhetzung oder Körperverletzung begangen.

Allerdings liegen den Sicherheitsbehörden nach eigenen Angaben keine Anhaltspunkte etwa für offene Aufrufe zu Gewalt durch die Partei vor. Darin sehen die Behörden auch eine „taktische Zurückhaltung“, um ein Verbot zu vermeiden. In einem internen Bericht des Bundesinnenministeriums zum „III. Weg“, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es, dass die Partei ihre Mitglieder schnell mobilisieren könne. Die Ausrichtung sei dezidiert antisemitisch, rassistisch und islamfeindlich.

Schon Kinder sollen kämpfen lernen

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Auch Kinder lernen bereits einfache Schläge, Tritte und Abwehrtechniken Christian Unger

Das Parteibüro des „III. Wegs“ liegt in einem Eckhaus in Plauen. Am Fenster klebt unter großen grünen Bannern eine Parole der Partei: „Multikulti tötet“. Drinnen sollen an diesem Februarsonntag schon die Kleinsten lernen, sich zu verteidigen gegen eine Welt, die laut Parteifunktionär Fischer „feindlich“ ist.

Der Mann, der sich als Nick vorgestellt hat, blickt streng auf die Gruppe vor ihm: „Wir sind hier, um zu lernen, uns zu verteidigen“, sagt er mit fester Stimme, und: „Wir haben keine Angst, vor niemandem.“ Nicks Schüler schauen ihn erwartungsvoll an. Einige ziehen an den Säumen der beigen T-Shirts, mit denen die Partei sie alle ausgestattet hat, andere treten von einem Fuß auf den anderen. Alle müssen sie den Kopf in den Nacken legen, wenn sie dem Trainer ins Gesicht schauen wollen, manchmal kichern sie nach den vorsichtigen Tritten und Schlägen. Viele sind noch jünger als zehn Jahre. Ein Mädchen hängt an einen Tritt, den ihre Partnerin abwehrt, eine Pirouette an. Acht Mädchen und zwei Jungen stehen an diesem Vormittag auf den provisorisch ausgelegten Gummimatten, sie sehen nicht aus, als ob sie sich fürchten.

Auf der anderen Seite des Flurs schließen sich zwei Räume an. Bis unter die Decke stapeln sich hier auf Regalbrettern Spenden für die Kleiderkammer der Partei, Plüschtiere, Hosen, Pullover und Spielzeug. Im hinteren Zimmer steht Cornelia T. und sortiert eine Kiste mit Babysocken, während ihre Kinder trainieren. Weil es den Kindern Selbstbewusstsein gebe und gut sei gegen Mobbing seien sie hier, erklärt sie. Dass Kinder, die für den „III. Weg“ nicht als Deutsch gelten, hier nicht mitmachen dürfen, stört sie nicht. „Ganz normal“ finde sie das, sagt Cornelia T.

Fragt man die Kinder, sagen sie, dass sie gerne kommen. Einer hat den Trainern sogar ein Bild gemalt. Darauf sind zwei Männer zu sehen, die ein großes Transparent mit dem Logo der Partei tragen – der Eichenlaubkranz mit der römischen Drei in der Mitte – und eine kleine Figur an einem Rednerpult. Neben ihr steht eine Sprechblase: „Ausländer müssen raus“ steht darin.

*Name von der Redaktion geändert

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels berichteten wir, dass Ralf Wohlleben ein „verurteilter NSU-Rechtsterrorist“ sei. Diese Behauptung ist falsch. Wohlleben wurde nicht wegen Mitgliedschaft in der rechtsterroristischen Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) verurteilt, sondern wegen Beihilfe zum Mord durch den NSU in mehreren Fällen.

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So drängen Neonazis in die Kampfsportszene

Reporter Christian Unger erklärt, wie Rechtsextreme Sport für ihre Ziele nutzen Johanna Rüdiger
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